Foto: Jan Roeder
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"Bildungsgipfel, der Podcast über Schule und Politk" in der Ausgabe vom 22. August 2025 Startseite Topmeldung
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"Schluss mit Hopplahopp"

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann analysiert im Podcast von Roman Eisner die deutsche und bayerische Bildungspolitik, kritisiert den aktuellen Zickzack-Kurs und fordert mehr Eigenverantwortung und Wertschätzung für Schulen und Lehrkräfte.

In der sechsten Folge des Podcasts “Bildungsgipfel” von Bildungsredakteur Roman Eisner geht es um eine verlässliche Bildungspolitik mit Plan und pädagogischem Tiefgang, statt dem aktuellen “Hoppladihopp”, um Wertschätzung und Eigenverantwortlichkeit für Lehrerinnen, Lehrer und Schulen und um die aktuellen Themen der Bildungspolitik, wie sie auch der BLLV zum Schuljahresende benannt hat.

Weiter Lehrkräftemangel statt individueller Förderung

Die aktuelle Lehrerbedarfsprognose hat die Diskussion wieder befeuert: Auch wenn es an den Grundschulen ab dem kommenden Jahr besser aussehen wird. Insgesamt ist die Prognose düster, wie die BLLV-Präsidentin im Interview betont: „[Die aktuelle Prognose] bedeutet für unsere Kolleginnen und Kollegen an allen Schularten, wieder weiter zusammen zu rutschen, weiter Vertretung zu machen, weiter über die Grenzen zu arbeiten und weiter zu erleben, dass man die Bildungsqualität, die man den Kindern eigentlich geben will, nicht leisten kann.“ Denn eine gute Förderung, Kleingruppenarbeit oder die Differenzierung durch besonderes Personal bleibe damit weiterhin schwierig bis unmöglich und das auch noch auf längere Strecke in unterschiedlicher Ausprägung an den verschiedenen Schularten.

Spannend ist dabei vor allem, was die Politik jetzt daraus ableitet, wie Simone Fleischmann betont. Denn irgendwelchen dienstrechtlichen „Schweinereien“ – wie einer Einschränkung von Teilzeitmöglichkeiten, verpflichtender Mehrarbeit oder ähnlichem – werde man sich entgegenstellen, wie der BLLV dies auch schon beim so genannten „Piazolo-Paket“ getan hat. „Wir werden genau hinkucken: Was für Maßnahmen werden jetzt fürs Gymnasium ergriffen? Welche Maßnahmen werden ergriffen für die beruflichen Schulen? Was tut man jetzt, wenn man bei den Mittelschulen kein Licht am Ende des Tunnels sieht?“, betont Simone Fleischmann. Allerdings sei es wichtig, dass alle Beteiligten jetzt die aktuellen Zahlen und Fakten wahrnehmen und danach handeln.

Fundierte Planung und Dialog statt “Hoppladihopp”

Bei allen Maßnahmen seitens der Staatsregierung, die der Analyse der Situation folgen, müssen jetzt allerdings die Lehrkräfteverbände und die Personalräte einbezogen werden, betont Fleischmann und erteilt dabei allen kurzfristigen Schnellschüssen und allen Zwangsmaßnahmen gegen Lehrerinnen und Lehrer, die die Attraktivität des Berufs weiter mindern, eine klare Abfuhr. 

Überhaupt: Planbarkeit und Tiefgang statt Zickzackkurs, das wäre was! Das gilt auch für Maßnahmen der Inklusion, des Ausbaus der Ganztagsbetreuung oder der Digitalität an den Schulen. Vor allem der Schlingerkurs bei der Digitalisierung hatte zuletzt für Unmut gesorgt, nachdem sich die Schulen mit viel Aufwand und Herzblut an die Umsetzung gemacht hatten. Denn die Regierung hatte sich digitale Bildung selbst als Ziel gesetzt und im Koalitionsvertrag wohlklingend vereinbart: "Bis spätestens 2028 sollen sukzessive alle Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden." Doch dann kam die abrupte Kehrtwende auf Ansage des Ministerpräsidenten, nach der künftig mobile Endgeräte erst ab der 8. Klasse vorgesehen sind. „Wenn jemand wie der Ministerpräsident sich in die Bildungspolitik einbringt, finden wir das erst mal gut, weil Bildungspolitik damit als wichtig anerkannt wird. Wenn man sich einbringt, muss man aber auch das Ressortprinzip achten und man könnte dann auch mit den Betroffenen diskutieren. Deswegen finde ich zum Beispiel Bürgerräte im Bereich der Bildung, Beteiligung, Partizipation total wichtig. Solche politischen ‚Basta!‘ Eingriffe wie das Verbot des Genderns, die Kehrtwende bei der Digitalisierung  oder einige andere Verbote und Ansagen der letzten Zeit sind allerdings nicht zuträglich. Das macht auch den Menschen keinen Spaß, weil sie dann ihre Selbstwirksamkeit verlieren. Und das ist sehr schade“, betont die BLLV-Präsidentin. Dass manche im System dann die Lust und das Engagement verlieren, dürfe dann auch nicht wundern.

Wertschätzung statt Gängelung

Wie Roman Eisner im Interview betont seien „Angriffe“ gegen Lehrkräfte zuletzt wieder zahlreich gewesen: Länger arbeiten sollen sie, Mehrarbeit leisten, in die Rentenversicherung einzahlen und überhaupt am besten gleich den Beamtenstatus verlieren, wie verschiedenste Politiker:innen und andere Akteure forderten. Dies und vieles mehr zeuge nicht gerade von Wertschätzung, betont der Podcast-Host. Und auch Simone Fleischmann betont, dass die Wertschätzung in anderen Ländern eine ganz andere sei, wo die Lehrkräfte als Leuchten der Gesellschaft angesehen werden, die mit Bildung und Zuwendung Zukunft gestalten, politisch bilden und Kindern Gemeinschaft vermitteln. Statt über die eigentlichen Herausforderungen von Bildung und Schule zu diskutieren, gehe es dann oft um Applauspolitik.

Dazu gehören auch andere vermeintlich schnelle Lösungen und Nebendiskussionen die zuletzt aufgemacht wurden: Von den Ferienterminen, über eine Migrationsobergrenze an den Schulen bis hin zur (richtigen oder falschen) Menge von Einser-Abiturnoten trieb ein bunter Strauß von Themen durch die Medien, dabei werde aber vergessen, was eigentlich wichtig ist und worum es uns aktuell gehen muss an den Schulen, wie die BLLV-Präsidentin betont: „Was ist eigentlich Auftrag von Schule? Wir haben eine ganz andere Auffassung von dem, was Schule leisten soll. Für uns Lehrerinnen und Lehrer im BLLV, aber auch in unserem Dachverband VBE, ist eins klar: Wir brauchen einen ganzheitlichen Lernbegriff. Wir brauchen Jugendliche, die aus diesem Schulsystem gehen und dieser Gesellschaft was geben können, die die Gesellschaft verstehen.“ Dafür braucht es aber mehr und etwas ganz anderes als „Leistung die weh tut“, die Separation von Kindern im Schulsystem und einfache Notenbewertungen. 

Haltung und fachliche Kompetenz

Bei der Frage, wie sie auf ihre zehn Jahre als Präsidentin zurückblickt, möchte Simone Fleischmann dann eigentlich viel lieber erzählen, was es noch alles zu erreichen gilt und wofür es sich zu kämpfen lohnt. Viele Herausforderungen und Krisen gab es in diesen zehn Jahren. Die so genannte „Flüchtlingskrise“, Corona, Finanzkrisen. Bei alldem gehe es immer darum, „die Kolleginnen und Kollegen zu stärken und in ihrer Eigenverantwortlichkeit, in ihrem Empowerment zu stützen.“

Natürlich war es ein enormer Erfolg, dass der BLLV die Gleichwertigkeit in der Besoldung für alle Lehrerinnen und Lehrer erreicht hat, also dass alle in der Eingangsbesoldung „A13“ bekommen und damit endlich alle Lehrerinnen und Lehrer als gleichwertig anerkannt sind, was viel weiter trägt als der finanzielle Aspekt. Auch der Erfolg der Lehrerbildungskommission ist für Simone Fleischmann so ein Meilenstein. Auch hier geht es nicht zuletzt um die Gleichwertigkeit der Lehrkräfte und der Schularten: „Alle Lehrer sind Lehrer, alle Lehrer studieren gleich lang, alle Lehrer verdienen gleich viel. Und das ist schon etwas, was mich besonders glücklich macht“, erklärt sie im Gespräch, auch wenn natürlich noch abzuwarten ist, wie das Konzept umgesetzt wird. „Mit dem jetzt vorliegenden Kommissionsgutachten zeigen Wissenschaft, Studierendenvertretung und die Lehrerverbände aller Schularten mit großer Einigkeit auf, was ein modernes Lehramtsstudium jetzt braucht! Soviel Gemeinsamkeit und Eindeutigkeit in der Verdeutlichung nötiger Reformschritte gab es so noch nie!“, wie sie schon vor einiger Zeit betonte und das sei allein schon ein großer Erfolg.

Eins ist ihr bei allem aber immer besonders wichtig: „Das Wichtigste, das wir bei allen radikalen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen immer fokussieren, ist: Haltung! ‚Haltung zählt!‘ ist ein Motto und ein Format, das wir 2016 auch als Manifest herausgegeben haben und das  bundesweit mitgetragen wurde. Ein Manifest für die Vielfalt, für die Toleranz, für den respektvollen Umgang miteinander. Und dafür brenne ich. Es ist heute aktueller denn je, sich darüber Gedanken zu machen, was die Gesellschaft zusammenhält. Und das ist, glaube ich, Auftrag von Schule. Und es ist nicht leicht für die Kolleginnen und Kollegen, das jeden Tag in den Mittelpunkt zu stellen. Deswegen kämpfen wir für gute Arbeitsbedingungen, für eine verbesserte Attraktivität des Berufs, für bessere Rahmenbedingungen. Es geht darum, die Lehrkräftegesundheit trotz der mannigfaltigen Krisen hochzuhalten.“