münchen.tv Chefredakteurin Marion Gehlert (rechts) im Bespräch mit BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann
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münchen.tv vom 2. September 2025 Startseite Topmeldung
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Schule heute: zwischen Bildungsgerechtigkeit, KI, Lehrkräftemangel und einem neuen Leistungsbegriff

Kurz vor dem Schulstart befragt münchen.tv BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann zur Situation der Schulen und der Bildung in Bayern. Es wurde ein intensives Gespräch, das vom Lehrkräftemangel über KI bis hin zur Bildungsgerechtigkeit kaum ein Thema offen ließ.

Noch sind wir in Bayern in den Ferien und viele wollen noch gar nicht an den Schulstart denken, während andere sich schon intensiv vorbereiten – unter anderem viele Schülerinnen und Schüler, sei es aus Angst vor den neuen Herausforderungen, aus Ehrgeiz oder weil sie von den Eltern dazu angetrieben werden. Die Wahrheit zwischen Erholung und „Dranbleiben“ liegt aber in der Mitte, wie BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann im ausführlichen Interview mit münchen.tv betont: “Ich glaube, die Eltern haben da immer ein gutes Gefühl und das zählt als allererstes. Wann braucht mein Kind mal Ruhe? Wann muss am Ende der Ferien wieder was getan werden? Und oft sind die Kids da die besten Informanten, wenn man mal nachfragt: Was wollen wir noch mal reflektieren? Wie ist denn das im Zeugnis gewesen? Warum hast du da schlecht abgeschnitten? Warum war das so gut? Also das Beste ist, in Dialog mit dem Kind zu gehen.“ 

Und was ist mit den Lehrerinnen und Lehrern und den oft beneideten sechs Wochen Urlaub? „Das kommt immer ganz darauf an: Bin ich relativ neu im Job und habe das erste Mal eine dritte Klasse, dann muss ich mich anders einarbeiten. Bin ich das erste Mal in einem neuen Fach oder einen neuen Jahrgangsstufe am Gymnasium unterwegs, muss ich mich ganz anders einstellen und den Lehrplan noch anders durcharbeiten. Dann die Frage: Welche Schülerinnen und Schüler übernimmt man, welche Klasse übernimmt man? Wir haben dann auch oft schon Konferenzen und vieles mehr. Also von sechs Wochen Ferien sind wir weit entfernt, aber das macht jeder anders und ich würde mal sagen, 14 Tage oder drei Wochen muss man auch mal raus und den Kopf frei kriegen“, so die BLLV-Präsidentin.

Startet auch dieses Jahr mit Lehrkräftemangel?

Chefredakteurin Marion Gehlert von münchen.tv will im Gespräch auch ganz gezielt wissen, wie es denn jetzt mit dem Lehrkräftemangel aussiet, denn schließlich stünden den 1,7 Millionen Kindern heuer 160.000 Lehrerinnen und Lehrer gegenüber – so viele wie noch nie. Also alles gut? So einfach ist es aber nicht, vor allem wenn man die unterschiedliche Lage an den verschiedenen Schularten betrachtet. Und nicht zuletzt steigen auch die Anforderungen an Schule kontinuierlich, wie die BLLV-Präsidentin betont: „Je mehr Schülerinnen und Schüler wir haben, desto mehr Lehrkräfte brauchen wir. Je mehr Herausforderungen das Leben und die Gesellschaft der Schule stellen, desto mehr Angebote bräuchten wir. Wir haben jetzt seit einigen Jahren Lehrkräftemangel im Grundschulbereich. Im Mittelschulbereich ist leider auch kein Licht am Ende des Tunnels und auch im Bereich der Förderschulen haben wir Lehrkräftemangel. Und auch an den Realschulen, Gymnasien und an den beruflichen Schulen wird der Lehrkräftemangel in den nächsten Jahren zuschlagen. Also es stimmt einfach nicht, dass wir eine gute Ausstattung haben und dass wir nicht wüssten, wohin mit den Köpfen. Ganz im Gegenteil. Und einige Jahre haben wir gerade jetzt im Grundschulbereich echt eine harte Zeit hinter uns.“


Lehrkräftemangel: Wo und warum?

Auch wenn die Situation an den Grundschulen sich langsam entspannt: Gerade das sollte der Anlass sein, in Zukunft besser zu planen und nicht wieder in den so genannten „Schweinezyklus“ zu verfallen. „Manchmal sind zu viele da für eine Schulart, dann sind wieder zu wenige da. Solange ich denken kann, ist es leider schon so. Man findet nicht den richtigen Weg, dass genau so viele Lehrerinnen und Lehrer am Start sind, wie wir sie fürs Gymnasium oder die Realschulen brauchen“, so Fleischmann. Grundsätzlich geht es aber darum, dass die Studien- und Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte so gestaltet werden, dass „die Besten“ Lehrerin und Lehrer werden wollen und dann auch „Good Stories“ über ihren Beruf erzählen, denn das ist die beste Werbung für das, was Simone Fleischmann als den „besten Beruf“ überhaupt bezeichnet. Zumindest könne er das sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wie sie betont. 

Was in diesem „Schweinezyklus“ verloren geht ist nichts weniger als die Bildungsgerechtigkeit – und zwar für alle Kinder, denn jedes Kind braucht und verdient individuelle Förderung. Und dass die Lehrerinnen und Lehrer dies meist nicht leisten können ist das, was sie mürbe macht, zu psychischen Belastungen führt und damit den Beruf oft unattraktiv macht: „Was wir nicht schaffen, ist die Bildungsschere zwischen den reichen Kindern und den armen Kindern zu schließen. ‚Reich‘ heißt hier nicht nur Geld sondern auch Zuwendung, Unterstützung und Möglichkeiten im Vergleich zu den ‚armen‘ Kindern, deren Eltern nicht im gleichen Maße unterstützen können. Diese Schere geht in Bayern so weit auf wie in keinem anderen Bundesland. Und da gibt es auch nur einen Schlüssel zum Erfolg: Das ist die individuelle Förderung. Übrigens bitteschön auch Förderung der begabten und talentierten Kindern. Da gibt es oft Schülerinnen und Schüler, die sind so schlau, denen willst du ja auch was geben. Die brauchen viel mehr Futter, wie wir sagen. Die brauchen mal eine AG Schach, die brauchen einen Mathematikwettbewerb, die brauchen eine Herausforderung im Schreiben. Also brauchst Du auch für die Begabten eine Spitzenförderung. Genauso brauchst du aber für die Kinder, die Sprach- und Lernstörungen oder eine depressive Störung haben, eben Fachpersonal, das diese Kinder abholt. Und es gelingt uns leider in Bayern nicht, diese Schere zu schließen.“

Frühförderung als Schlüssel

Wie verhindern wir also, dass weiterhin bis zu einem Viertel der Kinder nach der Grundschule nicht richtig Lesen, Schreiben oder Rechnen können? Simone Fleischmann: „Der BLLV fordert, die Bildungsfinanzierung vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das heißt die besten Bedingungen bei den Kleinsten. Wir fordern, die Bildungsfinanzierung üppigst aufzusetzen im Kindergarten und der Grundschule. Und dann braucht man auch nicht mehr so viel Geld in der Nachsorge. Sehr viel Geld steckt nämlich darin, wenn das Kind dann schon mal in den Brunnen gefallen ist, also wenn ein Jugendlicher im Bereich der Mittelschule keinen Abschluss schafft. Jugendhilfeeinrichtungen und eine gute Betreuung, um dann als 17- oder 19-jähriger in den Beruf zu kommen sind teuer. Wenn wir von vornherein im Bereich der Kita und an den Grundschulen beste Förderung hätten, dann würden wir von Anfang an die Kinder gut auffangen.“

Und sie ergänzt: „Es bleibt nichts anderes übrig, als in Bayern und in Deutschland insgesamt dafür zu sorgen, dass die Besten Lehrerinnen und Lehrer werden. Wir brauchen gute Bildung. Wir haben keine anderen Rohstoffe. Wir haben das Hirn und die Köpfe der Kinder und das gilt es zu bilden, wenn wir hier gerne Hightech hätten und wenn wir hier gern Silicon Valley hoch zwei hätten und wenn wir gern die besten Professoren hätten und wenn wir gerne ein gutes Wirtschaftswachstum hier in Bayern hätten. Dann brauchen wir die Investition in die Kinderköpfe. Das geht über beste Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer und dafür braucht es zum Beispiel im Bereich der Mittelschulen eine deutlich höhere personelle Ausstattung als aktuell.“

KI, Digitalität und ein modernes Leistungsverständnis

Die Entwicklung von KI hat auch die Schulen aufgeschreckt. Und sie fällt aktuell zusammen mit einer grundsätzlichen Frage nach digitalen Inhalten, Geräten und der Medienbildung an den Schulen. Wie bilden wir den Nachwuchs im Zeitalter der Digitalisierung, wo müssen wir die Kinder und Jugendlichen schützen und was bedeuten Leistung und Noten in einer Zeit, in der jede Antwort nur einen Klick entfernt ist? Das einfache Abfragen von Fakten wird dabei zumindest bei Referaten und Hausaufgaben schnell zur Farce. Dabei ist das gar nicht so neu, denn auch früher schon haben mal die Eltern einen Aufsatz für die Kinder geschrieben, oder der Opa hat die historischen Fakten für die ein oder andere Aufgabe geliefert. 

KI macht neuerdings nur besonders deutlich, wie veraltet der geltende Leistungsbegriff heute ist. „Was ist dann die Aufgabe von Lernen? Was ist dann die Aufgabe von einem Lehrer? Und was ist dann die Aufgabe von Schule? Ja, nicht mehr blankes Wissen abfragen. Das war übrigens früher schon so, wenn ich einen Aufsatz von einem Schüler gelesen habe und mir dachte: ‚Nee, Moment mal, das hast du auf keinen Fall geschrieben‘. Wir haben dann gefragt: Hey, erklär doch mal, was genau steckt dahinter? Wie bist du darauf gekommen? Und erklär mir noch mal den Rechenweg bei diesem Ergebnis. Ich kann mir natürlich vom Opa was erzählen lassen oder ChatGPT fragen und darüber dann ein Referat schreiben. Dann muss ich das aber verankern und dann muss ich zeigen, dass ich es verstanden habe. Und das ist elaboriertes Lernen. Das nennt man übrigens Kompetenz. Angewandtes Wissen ist Kompetenz. Und alle unsere Lehrpläne sind kompetenzorientiert. Das heißt, wir müssten da schon lange alle angekommen sein“, so Fleischmann.

Über Digitalität, Medienbildung und Werte

Apropos Digitalität: Wie eng die Digitalität an den Schulen mit der Medien- und damit auch mit der Werte- und Demokratiebildung zusammenhängt, zeigte sich sehr schnell im Interview auf münchen.tv. Wie geht man damit um, wenn in Klassenchats rechte Inhalte auftauchen oder anzügliche Memes geteilt werden? Woher kommen radikale Gesinnungen an den Schulen und was tun wir dagegen? 

„Wir dürfen uns an den Schulen nicht wundern, angesichts einer Radikalisierung der Gesellschaft, wenn sehr viel populistische Politik stattfindet, wenn in hohen Häusern wie im Landtag, aber auch im Bundestag eine Diskussionskultur herrscht, der man lieber nicht beiwohnt. Wenn wir spüren, wie scharf in sozialen Netzwerken gegeneinander agiert wird, dann ist es ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wir haben eine Zunahme an Gewalt an den Schulen, aber wir haben eben auch in den sozialen Netzwerken eine Zunahme im qualitativen und quantitativen Sinne. Und das ist für uns ein Auftrag. Der Auftrag ist Medienerziehung“, so Fleischmann.

Ein neues Unterrichtsfach ist kein Allheilmittel

Einem neuen Unterrichtsfach „Medienbildung“ oder auch „KI“ erteilt die BLLV-Präsidentin dabei aber ebenso eine Absage wie der viel diskutierten „Verfassungsviertelstunde“ – auch wenn sie lobt, dass mit der Einführung dieses neuen Formats anerkannt wurde, dass Demokratieverständnis kein Selbstläufer ist. Allerdings führe die Fächerdiskussion mit einer Viertelstunde Verfassungskunde hier, einer Stunde Ernährungskunde da und einer Stunde Finanzen dort nicht ans Ziel. Dabei handele es sich vielfach um Querschnittsthemen, die man auch nicht mit immer neuen Fächern abfangen kann, schon alleine deswegen, weil man die gar nicht unterkriegt. 

Das gilt auch für die Medienbildung, wie Simone Fleischmann erläutert: „Die Fächerdiskussion kann ich schon nicht mehr hören, denn wir haben jeden Tag irgendein anderes Fach, das man integrieren könnte. Wir müssen die Fachdiskussion über die Kompetenzen führen! Medienkritische User, medienkritische Demokraten braucht das Land. Das heißt, wir brauchen in allen Fächern kritischen Medienkonsum. Egal, welches Fach dran ist, ob es Geschichte ist, ob es Sozialkunde ist, ob es Erdkunde ist, ob es Deutsch ist, ob es Religion ist, egal welches Fach: Medienrecherche ist Teil davon.“ 


Lehrkräftemangel: Wo und warum?

Auch wenn die Situation an den Grundschulen sich langsam entspannt: Gerade das sollte der Anlass sein, in Zukunft besser zu planen und nicht wieder in den so genannten „Schweinezyklus“ zu verfallen. „Manchmal sind zu viele da für eine Schulart, dann sind wieder zu wenige da. Solange ich denken kann, ist es leider schon so. Man findet nicht den richtigen Weg, dass genau so viele Lehrerinnen und Lehrer am Start sind, wie wir sie fürs Gymnasium oder die Realschulen brauchen“, so Fleischmann. Grundsätzlich geht es aber darum, dass die Studien- und Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte so gestaltet werden, dass „die Besten“ Lehrerin und Lehrer werden wollen und dann auch „Good Stories“ über ihren Beruf erzählen, denn das ist die beste Werbung für das, was Simone Fleischmann als den „besten Beruf“ überhaupt bezeichnet. Zumindest könne er das sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wie sie betont. 

Was in diesem „Schweinezyklus“ verloren geht ist nichts weniger als die Bildungsgerechtigkeit – und zwar für alle Kinder, denn jedes Kind braucht und verdient individuelle Förderung. Und dass die Lehrerinnen und Lehrer dies meist nicht leisten können ist das, was sie mürbe macht, zu psychischen Belastungen führt und damit den Beruf oft unattraktiv macht: „Was wir nicht schaffen, ist die Bildungsschere zwischen den reichen Kindern und den armen Kindern zu schließen. ‚Reich‘ heißt hier nicht nur Geld sondern auch Zuwendung, Unterstützung und Möglichkeiten im Vergleich zu den ‚armen‘ Kindern, deren Eltern nicht im gleichen Maße unterstützen können. Diese Schere geht in Bayern so weit auf wie in keinem anderen Bundesland. Und da gibt es auch nur einen Schlüssel zum Erfolg: Das ist die individuelle Förderung. Übrigens bitteschön auch Förderung der begabten und talentierten Kindern. Da gibt es oft Schülerinnen und Schüler, die sind so schlau, denen willst du ja auch was geben. Die brauchen viel mehr Futter, wie wir sagen. Die brauchen mal eine AG Schach, die brauchen einen Mathematikwettbewerb, die brauchen eine Herausforderung im Schreiben. Also brauchst Du auch für die Begabten eine Spitzenförderung. Genauso brauchst du aber für die Kinder, die Sprach- und Lernstörungen oder eine depressive Störung haben, eben Fachpersonal, das diese Kinder abholt. Und es gelingt uns leider in Bayern nicht, diese Schere zu schließen.“

Frühförderung als Schlüssel

Wie verhindern wir also, dass weiterhin bis zu einem Viertel der Kinder nach der Grundschule nicht richtig Lesen, Schreiben oder Rechnen können? Simone Fleischmann: „Der BLLV fordert, die Bildungsfinanzierung vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das heißt die besten Bedingungen bei den Kleinsten. Wir fordern, die Bildungsfinanzierung üppigst aufzusetzen im Kindergarten und der Grundschule. Und dann braucht man auch nicht mehr so viel Geld in der Nachsorge. Sehr viel Geld steckt nämlich darin, wenn das Kind dann schon mal in den Brunnen gefallen ist, also wenn ein Jugendlicher im Bereich der Mittelschule keinen Abschluss schafft. Jugendhilfeeinrichtungen und eine gute Betreuung, um dann als 17- oder 19-jähriger in den Beruf zu kommen sind teuer. Wenn wir von vornherein im Bereich der Kita und an den Grundschulen beste Förderung hätten, dann würden wir von Anfang an die Kinder gut auffangen.“

Und sie ergänzt: „Es bleibt nichts anderes übrig, als in Bayern und in Deutschland insgesamt dafür zu sorgen, dass die Besten Lehrerinnen und Lehrer werden. Wir brauchen gute Bildung. Wir haben keine anderen Rohstoffe. Wir haben das Hirn und die Köpfe der Kinder und das gilt es zu bilden, wenn wir hier gerne Hightech hätten und wenn wir hier gern Silicon Valley hoch zwei hätten und wenn wir gern die besten Professoren hätten und wenn wir gerne ein gutes Wirtschaftswachstum hier in Bayern hätten. Dann brauchen wir die Investition in die Kinderköpfe. Das geht über beste Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer und dafür braucht es zum Beispiel im Bereich der Mittelschulen eine deutlich höhere personelle Ausstattung als aktuell.“

KI, Digitalität und ein modernes Leistungsverständnis

Die Entwicklung von KI hat auch die Schulen aufgeschreckt. Und sie fällt aktuell zusammen mit einer grundsätzlichen Frage nach digitalen Inhalten, Geräten und der Medienbildung an den Schulen. Wie bilden wir den Nachwuchs im Zeitalter der Digitalisierung, wo müssen wir die Kinder und Jugendlichen schützen und was bedeuten Leistung und Noten in einer Zeit, in der jede Antwort nur einen Klick entfernt ist? Das einfache Abfragen von Fakten wird dabei zumindest bei Referaten und Hausaufgaben schnell zur Farce. Dabei ist das gar nicht so neu, denn auch früher schon haben mal die Eltern einen Aufsatz für die Kinder geschrieben, oder der Opa hat die historischen Fakten für die ein oder andere Aufgabe geliefert. 

KI macht neuerdings nur besonders deutlich, wie veraltet der geltende Leistungsbegriff heute ist. „Was ist dann die Aufgabe von Lernen? Was ist dann die Aufgabe von einem Lehrer? Und was ist dann die Aufgabe von Schule? Ja, nicht mehr blankes Wissen abfragen. Das war übrigens früher schon so, wenn ich einen Aufsatz von einem Schüler gelesen habe und mir dachte: ‚Nee, Moment mal, das hast du auf keinen Fall geschrieben‘. Wir haben dann gefragt: Hey, erklär doch mal, was genau steckt dahinter? Wie bist du darauf gekommen? Und erklär mir noch mal den Rechenweg bei diesem Ergebnis. Ich kann mir natürlich vom Opa was erzählen lassen oder ChatGPT fragen und darüber dann ein Referat schreiben. Dann muss ich das aber verankern und dann muss ich zeigen, dass ich es verstanden habe. Und das ist elaboriertes Lernen. Das nennt man übrigens Kompetenz. Angewandtes Wissen ist Kompetenz. Und alle unsere Lehrpläne sind kompetenzorientiert. Das heißt, wir müssten da schon lange alle angekommen sein“, so Fleischmann.

Über Digitalität, Medienbildung und Werte

Apropos Digitalität: Wie eng die Digitalität an den Schulen mit der Medien- und damit auch mit der Werte- und Demokratiebildung zusammenhängt, zeigte sich sehr schnell im Interview auf münchen.tv. Wie geht man damit um, wenn in Klassenchats rechte Inhalte auftauchen oder anzügliche Memes geteilt werden? Woher kommen radikale Gesinnungen an den Schulen und was tun wir dagegen? 

„Wir dürfen uns an den Schulen nicht wundern, angesichts einer Radikalisierung der Gesellschaft, wenn sehr viel populistische Politik stattfindet, wenn in hohen Häusern wie im Landtag, aber auch im Bundestag eine Diskussionskultur herrscht, der man lieber nicht beiwohnt. Wenn wir spüren, wie scharf in sozialen Netzwerken gegeneinander agiert wird, dann ist es ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wir haben eine Zunahme an Gewalt an den Schulen, aber wir haben eben auch in den sozialen Netzwerken eine Zunahme im qualitativen und quantitativen Sinne. Und das ist für uns ein Auftrag. Der Auftrag ist Medienerziehung“, so Fleischmann.

Ein neues Unterrichtsfach ist kein Allheilmittel

Einem neuen Unterrichtsfach „Medienbildung“ oder auch „KI“ erteilt die BLLV-Präsidentin dabei aber ebenso eine Absage wie der viel diskutierten „Verfassungsviertelstunde“ – auch wenn sie lobt, dass mit der Einführung dieses neuen Formats anerkannt wurde, dass Demokratieverständnis kein Selbstläufer ist. Allerdings führe die Fächerdiskussion mit einer Viertelstunde Verfassungskunde hier, einer Stunde Ernährungskunde da und einer Stunde Finanzen dort nicht ans Ziel. Dabei handele es sich vielfach um Querschnittsthemen, die man auch nicht mit immer neuen Fächern abfangen kann, schon alleine deswegen, weil man die gar nicht unterkriegt. 

Das gilt auch für die Medienbildung, wie Simone Fleischmann erläutert: „Die Fächerdiskussion kann ich schon nicht mehr hören, denn wir haben jeden Tag irgendein anderes Fach, das man integrieren könnte. Wir müssen die Fachdiskussion über die Kompetenzen führen! Medienkritische User, medienkritische Demokraten braucht das Land. Das heißt, wir brauchen in allen Fächern kritischen Medienkonsum. Egal, welches Fach dran ist, ob es Geschichte ist, ob es Sozialkunde ist, ob es Erdkunde ist, ob es Deutsch ist, ob es Religion ist, egal welches Fach: Medienrecherche ist Teil davon.“ 


Demokratiebildung ohne einfache schnelle Lösungen

Und Simone Fleischmann betont, dass ein Thema ernst zu nehmen, nicht bedeutet, ein neues Fach einzuführen – ganz im Gegenteil: „Genauso brauchen wir keine Verfassungsviertelstunde, sondern müssen demokratische Schule leben. Als ehemalige langjährige Schulleiterin, muss ich da immer schmunzeln. Die Kinder und Jugendlichen fordern das von selbst ein. Die sitzen zusammen in der Schulforumssitzung mit den Eltern, den Lehrkräften und den anderen Schülern und wollen eine Tischtennisplatte. So, das haben sie jetzt beschlossen. Dann gehen sie zur Schulleiterin. Nicht nur einmal, nicht nur zweimal, sondern permanent. Und fragen, wann jetzt endlich diese Tischtennisplatte kommt. Dann laufen sie zum Bürgermeister, weil der es vielleicht schafft. Dann haben Sie noch einen Gemeinderat, den Sie kennen. Und das ist gelebte Demokratie. Das gleiche gilt für andere Fragen und Entscheidungen in der Schule. Wie nutzen wir das Handy in der Schule? Wie gehen wir mit Fake News um? Welche Projektwoche machen wir? Das gemeinsam und reflektiert umzusetzen heißt, Demokratie erfahrbar zu machen und dann entscheiden wir gemeinsam, wie unsere Schule aufgestellt ist.“

Digitale Ausstattung von Schule und Unterricht

Das Gespräch auf münchen.tv führt zurück zur Digitalität. Schließlich hängt alles am Ende doch eng zusammen. Wie ist die Handy-Nutzung der Schüler:innen geregelt? Welche Ziele setzen wir uns bei der Digitalisierung an den Schulen? Wie und wo sollen Kinder und Jugendliche an soziale Netzwerke herangeführt und geschult werden, diese bewusst und kritisch zu nutzen? Und wo müssen wir die Jugend schützen? Durchaus schwierige Fragen. 

Was aber keine Lösung ist, ist der Schlingerkurs, der die Bayerische Bildungspolitik zuletzt bestimmt hat, wie die BLLV-Präsidentin im Gespräch ausführt: „Die Digitalität bleibt ja – die geht nicht mehr weg. Und im Umgang damit gibt es einen sinnvollen Mittelweg und der heißt ‚Lernen im Zeitalter der Digitalität‘. Also ich schaue, dass ich digitale Medien nutze, dass ich sie aber auch bewusst einsetze. Das heißt auch, dass ich Schülerinnen und Schüler bestimmte Dinge mal so ausprobieren und machen lasse, wie sie es gerade wollen. Der eine schreibt gerne am iPad mit, der andere schreibt gerne im Heft mit, die nächste diktiert es sich ins Smartphone. Das haben wir immer schon gemacht. Lernen mit allen Sinnen hat man es früher genannt, denn der eine hört gerne das, was er lernen soll, der andere liest es gern, der nächste spricht gerne. Ich glaube, der Weg ist der, dass wir das Zeitalter der Digitalität annehmen, dass wir kritisch mit digitalen Medien umgehen und dabei immer noch verstehen, dass Lernen Beziehungsarbeit ist.“

Den ganzen Beitrag, mit weiteren Themen wie dem Umgang mit Heterogenität an den Schulen, der Verantwortung der Eltern beim Kompetenzerwerb der Kinder, Prüfungsformaten jenseits von Stegreifaufgaben und Exen finden Sie >>Hier im Beitrag und über den Teaser oben im Infokasten.