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So kann’s Bildung

Die Landesdelegiertenversammlung des BLLV zeigt von 18.-20. Mai konkret und im Detail auf, wie zeitgemäßes Lernen für eine lebenswerte Zukunft gestaltet werden kann: Alles über die zentralen Positionen, die Kundgebung und das politische Wirken des BLLV.

Bildung befähigt junge Menschen, ihre Zukunft angesichts komplexer Herausforderungen in einer sich dynamisch wandelnden Welt werteorientiert, verantwortungsbewusst und selbstwirksam zu gestalten. Das ist die tiefe Überzeugung der professionellen Pädagoginnen und Pädagogen und aller, die im Bildungssystem arbeiten, die sich im BLLV zu einer Werte- und Solidargemeinschaft zusammengeschlossen haben.

Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus der täglichen Arbeit in Bildungseinrichtungen zeigen deutlich: Es muss sich im Alltag wie auch im gesamten System einiges ändern, damit sich dieser Anspruch einer modernen, ganzheitlichen Bildung auf der Basis des erziehungswissenschaftlichen Kenntnisstandes in der Praxis verwirklichen lässt. Auf seiner 55. Landesdelegiertenversammlung, dem höchsten Beschlussgremium des BLLV, werden daher 625 Delegierte aus ganz Bayern die nötigen Schritte im Detail benennen und einen klaren Auftrag an die verantwortlichen Gestalter des Bildungssystems formulieren.

Schule als Lebensraum, in dem fortschrittsorientiert gelernt wird

So muss die Schule der Zukunft ein lebendiger Ort ganzheitlichen Lernens sein. Schulleben und Bildungsinhalte müssen die Gesellschaft als Ganzes widerspiegeln: Lernen und Lehrplan dürfen nicht mehr von Leben und gesellschaftlichen Entwicklungen getrennt existieren, sondern sollten zu einem organischen Ganzen verschmelzen. Es braucht Lernen durch Engagement-Projekte, kommunale Vernetzung und generell eine Öffnung der Schulen, dazu demokratiepädagogische Angebote, den Klassenrat und Integration der Eltern in die Schulentwicklung.

Leistung darf nicht weiter als Instrument zur Vergabe von Lebenschancen und dem rechtssicheren Sortieren von Kindern auf Bildungslaufbahnen missverstanden werden und dem Lernen übergeordnet sein. Stattdessen liegt der Fokus des Lernens auf dem Erleben und Verstehen, auf Authentizität, Interesse und Neugier der Schülerinnen und Schüler. Lernprozesse müssen sowohl instruktiv wie selbstorganisiert möglich sein, authentische Aufgabenstellungen und Phänomene des realen Lebens müssen Lernerfahrungen von Kindern und Jugendlichen prägen. Lernen orientiert sich mithin nicht an den Defiziten, sondern an den Potenzialen der Lernenden. Lernwege müssen transparent und nachvollziehbar gestaltet sein, jederzeit individuell angepasst werden, Fortschritt muss motivierend und fortschrittsorientiert rückgemeldet werden.


Eigenverantwortung

Nur so lassen sich Schüsselqualifikationen wie Resilienz, reflektiertes Urteilsvermögen und Problemlösekompetenz erwerben, die Menschen dazu befähigen, auch in Krisensituationen reflektierte und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Gerade die Erfahrungen der Corona-Krise haben das deutlich gezeigt.

Schule und Schulleben so aufzusetzen, heißt den einzelnen Schulen größere Gestaltungsspielräume zu geben: Eigenverantwortliche Schule kann sich auf die Potenziale und Bedürfnisse der Schülerschaft am besten einstellen und in einem ganzheitlichen Bildungsansatz Lernerfolge bestmöglich verwirklichen. Die Politik ist für all dies gefordert, tradierte Strukturen und Prozesse aufzubrechen, um pragmatisches, lösungsorientiertes Agieren zu fördern.

Bildungsgerechtigkeit

Jedem Kind die Chance zu geben, die eigenen Potenziale zu entwickeln, bedeutet auch, der in Deutschland besonders großen Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozioökonomischen Hintergrund entgegenzuwirken. Strukturelle Bildungsbenachteiligung widerspricht dem Diskriminierungsverbot im Grundgesetz (Art. 3, Abs. 3) und dem Bildungsauftrag der Verfassung des Freistaats Bayern (Art. 132). Es gilt, sozial selektive Bildungsübergänge, wie das Übertrittsverfahren nach der vierten Klasse Grundschule, das zu nach Schularten segregierten Schülerschaften führt, aufzulösen und längeres gemeinsames Lernen zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass jedes Kind Zugang zu früher Bildung erhält. Es braucht geeignete Maßnahmen der Diagnostik und die passende ganzheitliche frühe Förderung in Kooperation mit Familien und vorschulischen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen.

Über einen präzisen Sozialindex müssen alle Bildungseinrichtungen entsprechend ihrer besonderen Herausforderungen gefördert werden. Dennoch können soziale Unterschiede von Pädagoginnen und Pädagogen alleine nicht ausgeglichen werden, es braucht vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung für mehr soziale Gerechtigkeit und politische Maßnahmen, die diese im Einklang mit dem Grundgesetz wirksam herstellen.


Lebenswerte Zukunft sichern

Einen weiteren wichtigen Auftrag an Schule stellen die Vereinten Nationen mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung – der Deutschland deutlich hinterherhinkt. Für Pädagogen ist die Sicherung einer lebenswerten Zukunft für kommende Generationen Teil der gesellschaftspolitischen Verantwortung. Es gilt daher, bisherige Ansätze zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zu einem dauerhaften und fächerübergreifenden Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit auszubauen, in dem zentrale Elemente von Umweltbildung, Demokratiepädagogik und Globalem Lernen zusammengeführt werden.

Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, ihr eigenes Handeln kritisch zu reflektieren, Verantwortung zu übernehmen und wirksam tätig zu werden mit dem Ziel einer lebenswerten Zukunft für alle. Dafür muss BNE in Lehrplan, Unterrichtsmedien und Lehrerbildung fest verankert werden, Kernpunkt von Schulentwicklung und der Evaluation werden. Auch der BLLV als Ganzes hat sich in der Verbandsarbeit den Grundsätzen globaler Nachhaltigkeit verpflichtet – und setzt dies beispielsweise auch auf der Landesdelegiertenversammlung um, wie durch Förderung der Anreise mit der Bahn, Rikscha-Shuttles vor Ort, CO2-Kompensation der gesamten Veranstaltung, regionalem Catering und Spenden von übrigem Essen an Würzburger Bedürftige.

Digitales Leben proaktiv verantwortlich gestalten

Zeitgemäßes Lernen heißt auch digitales Lernen – allerdings nicht als Selbstzweck, sondern im Sinne des kompetenten, passgenauen Einsatzes als selbstverständliches pädagogisches Werkzeug. Es gilt, die Möglichkeiten der Differenzierung und des selbstbestimmten Lernens zielgenau zu nutzen, gleichzeitig Vorbild zu sein für sinnvolle, gesteuerte und reflektierte Nutzung von Medienangeboten, weil nicht nur deren Vorhandensein die moderne Welt definiert, sondern vor allem der Umgang der Gesellschaft mit ihnen. Kritische Reflexion und verantwortliches Interagieren sind für Heranwachsende Schlüsselkompetenzen, die wichtige Weichen stellen, wie sich digitales Leben und Erleben in Zukunft gestaltet.

Ebenso wichtig wie eine zeitgemäße digitale Infrastruktur an Bildungseinrichtungen mit systematischer Betreuung durch Experten sowie sichere und datenschutzkonforme Applikationen ist die reflektierte Einbettung digitalen Lernens in einen ganzheitlichen Bildungsbegriff mit Herz, Kopf und Hand. Wer sich in diesem Sinne seiner selbst und der Welt bewusst ist, ist bestens gerüstet um neue digitale Entwicklungen reflektiert, verantwortlich und selbstbestimmt im Dienste der eigenen Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen.


Ganztag pädagogisch denken

Die heutige Gesellschaft ist nicht nur digitaler, sie ist auch anders rhythmisiert, in Familien und im Berufsleben. Kindheit gestaltet sich komplexer, die familiäre Einbettung, auch über Geschwisterkinder, ist schwächer. Zum veränderten Familienleben kommen oft schwindende Primärerfahrungen, Reizüberflutung und steigende soziale Gewaltbereitschaft. Es braucht heute gute pädagogische Konzepte für außerunterrichtliche Angebote.

Ganztagsangebote dürfen daher nicht im Sinne von „Verwahrung“ gedacht werden, sondern brauchen eine klare, pädagogisch fokussierte Ausrichtung mit qualitativen Mindeststandards für die unterschiedlichen Formen der Ganztagsschule, die eine Rhythmisierung des Unterrichts und zeitintensive Lernformen ermöglichen. Der BLLV spricht sich dabei dezidiert für den Erhalt unterschiedlicher Formen des Ganztags an, regional- und schulspezifisch entsprechend der jeweiligen Bedürfnisse der Schülerschaft.

Inklusion nicht nur in Sonntagsreden

Großen Nachholbedarf sieht der BLLV bei der Inklusion, die zwar in politischen Sonntagsreden gerne als wichtige Ziel postuliert wird, für deren Umsetzung aber dringend mehr Ressourcen bereitgestellt werden müssen. Der BLLV bekennt sich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und fordert dafür sonderpädagogische Kompetenz an allen Regelschulen, die grundlegende Haltung und Kompetenzen müssen in allen Phasen der Lehrerbildung verankert werden.

Inklusion braucht Multiprofessionalität an den Schulen, die Schulbegleitung muss zu einer qualifizierten und kontinuierlichen Schulassistenz weiterentwickelt werden. Wenn der Förderbedarf im Einzelfall so hoch ist, dass er an Regelschulen aus Sicht der Eltern nicht erfüllt werden kann, brauchen diese flächendeckend neutrale Beratungsstellen, die über Förderungen in der Region und weitere Beratungsstellen aufklären können. Außerdem müssen Jugendhilfe und Schulen besser vernetzt werden. Gerade Inklusion braucht ebenso einen zeitgemäßen Leistungsbegriff. Diese zentrale Aufgabe darf zudem nicht singulär an Mittelschulen delegiert werden, die diese Arbeit derzeit fast ausschließlich leisten.


„Es braucht ein ganzes Dorf…“

Schule nimmt eine zentrale Rolle in der Biographie junger Menschen ein, dennoch kann sie nicht alles leisten. Umso wichtiger ist die Zusammenarbeit von Bildungseinrichtungen und Elternhaus, die sich nicht auf das Lösen akuter Probleme beschränken darf, sondern kontinuierlich und partizipativ institutionalisiert werden muss. Der BLLV macht sich für eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft stark, die Bildung kooperativ und auf Augenhöhe aller Beteiligten versteht.

Weil sich Zusammenarbeit aber bei Eltern aus bildungsfernen Milieus schwierig gestalten kann, muss der Grundsatz gelten: Schulische Bildung sollte idealerweise mit den Eltern gemeinsam gelingen, sie darf aber auch ohne Eltern nicht scheitern. Der BLLV fordert daher mehr offizielle Zeitressourcen für die Kooperation mit Eltern, multiprofessionelle Teams, partizipative Schulentwicklungsprozesse, die Verankerung des Gedankens der Erziehungspartnerschaft in der Lehrerbildung. Expertise im Umgang mit Eltern darf kein Zufall sein.

Schularten spezifisch stärken, aber langfristig längere gemeinsame Bildung

Die Kriterien für gelingende Bildung gelten prinzipiell für alle Schularten. Zugleich gilt es, sich den besonderen Stärken und Herausforderungen bewusst zu sein. So ist die Grundschule die einzige Schule, in der alle Kinder gemeinsam lernen – aus Sicht des BLLV sollte das aus bereits genannten Gründen länger geschehen. Die Grundschule schafft die Basiskompetenzen, auf denen die weiterführenden Schulen aufbauen. Daher ist es besonders wichtig, dass dieser Bildungsauftrag nicht von der Jagd auf den bestmöglichen Übertritt überlagert wird.

An Mittelschulen sind die Bildungsprozesse besonders komplex, durch eine stark heterogene Schülerschaft, die in vielen Bereichen besondere individuelle Förderung benötigt. Dazu kommt das Image einer Institution der „Ausgelesenen“. Die personelle, räumliche und finanzielle Ausstattung muss massiv verbessert werden, um den pädagogisch hohen Anforderungen professionell begegnen zu können. Es braucht beispielsweise flächendeckenden Einsatz von Förderlehrkräften, Ausbau der Schulsozialarbeit und eine Verbesserung der Lehrer-Schüler-Relation. Langfristig muss die systemische Sonderstellung der Mittelschule durch einen Systemumbau zu einem weniger selektiven Schulsystem und längerem gemeinsamem Lernen überwunden werden.

Der BLLV sieht phänomenologisches, ganzheitliches Lernen als wichtige Bildungskonzepte auch an Gymnasien. Er schlägt daher für die Oberstufe ein Konzept vor, das den starren Fächerkanon auflöst und stattdessen auf individualisiertes und realitätsnahes Lernen in Projekten und Modulen setzt. Die Fächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen bleiben bestehen, dazu kommen „Domänen“, die frühere Fächer wie Informatik/Naturwissenschaften, Philosophie/Religion/Werte, Mensch/Gesellschaft/Zeitgeschichte, Kunst/Musik, Bewegung/Gesundheit/Prävention bündeln und darin übergreifendes projektorientiertes Lernen erlauben. Die Abiturprüfung ist auch mit diesem Modell im Rahmen der gültigen KMK-Vorgaben möglich.


Auf der frühkindlichen Bildung baut alles auf

Grundlage für schulisches Lernen ist die Qualität der frühkindlichen Bildung, die eine zentrale Ressource für lebenslange Lern- und Entwicklungsprozesse bereitstellt. Um den späteren Bildungs- und Berufserfolg zu sichern, müssen Betreuungsplätze ausgebaut werden und die Kostenfreiheit garantiert werden. Die gesetzlichen Vorgaben müssen mehr Zeit für Inklusion, Integration und Ganztagsangebote einräumen. Sprachbildung und -förderung müssen ebenso gestärkt werden wie die Kooperation mit den Grundschulen, um gute Übergänge gewährleisten zu können.

Das Personal muss von Verwaltungsaufgaben entlastet werden, um mehr Raum für pädagogische und Leitungsaufgaben zu erhalten. Die Berufsabschlüsse von Erzieherinnen und Erziehern und Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern müssen aufgewertet werden in Richtung Fachhochschulen respektive Fachakademien. Zudem braucht es eine Digitalisierungsstrategie für die frühkindliche Bildung, die Aus- und Fortbildung beinhaltet, Ressourcen für digitale Infrastruktur und Ressourcen um Konzepte in Abstimmung mit der jeweiligen Elternschaft zu entwickeln.

Wir können Bildung – und sagen es laut!

Die Aufgaben und Herausforderungen in der Bildung sind zahlreich und komplex. Trotz vieler ungelöster Probleme geben professionelle Pädagoginnen und Pädagogen alles, um Kinder und Jugendliche bestmöglich individuell und ganzheitlich zu bilden – jeden Tag, mit Herz, Kopf und Hand, von Mensch zu Mensch. Auf einer Kundgebung am Donnerstag, den 18. Mai, auf dem Würzburger Marktplatz werden die im BLLV organisierten Bildungsprofis für die Wertschätzung und Rückendeckung werben, die es dafür braucht. Denn nur starke Lehrer machen starke Schule, und starke Schule macht starke Kinder.

Warum das besonders in diesen Zeiten essenziell ist, hat der BLLV in seinem Motto der diesjährigen Landesdelegiertenversammlung „Bildung kann’s. Wir können Bildung“ festgeschrieben und mit seiner Denkschrift „Bildung in der Krise – mit Bildung aus der Krise“ argumentativ untermauert.


Bildungspolitik im starken Dialog

Der Handlungsbedarf ist somit klar dargelegt und untermauert durch aktuelle erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse, die der BLLV mit renommierten Forschenden im Vorfeld der LDV unter anderem in der „Münchner Erklärung“ fokussiert dargelegt hat, sowie durch die täglichen Erfahrungen aus der pädagogischen Praxis vor Ort. Der BLLV steht zu diesem Handlungsbedarf im ständigen Dialog mit politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen, auf denen Bildung gestaltet wird. Auf der Landesdelegiertenversammlung werden zur öffentlichen Festveranstaltung unter anderem Bildungspolitiker verschiedener Parteien, Mitglieder des Bildungsausschusses im Bayerischen Landtag, Kultusminister Piazolo sowie Ministerpräsident Söder erwartet.

Der Austausch über die nötigen Schritte, um beste Bildung in der Praxis auch tatsächlich zu ermöglichen, wird also intensiv fortgeführt.



Landesdelegiertenversammlung

Vom 18.-20. Mai in Würzburg arbeitet der BLLV die Schlüsselrolle von Bildung heraus - und stellt klar, was sich ändern muss, damit Pädagoginnen und Pädagogen sie professionell umsetzen können. » bllv.de/ldv