Meist gelingt es, betroffene Lehrer/innen gut zu unterstüten
Quelle: forsa 2018
forsa-Schulleiterumfrage „Gewalt gegen Lehrkräfte“

VBE und BLLV fordern Gewaltstatistik

STUDIE - Gewaltattacken gegen Lehrer sind keine Einzelfälle. Das belegt die heute veröffentlichte forsa-Umfrage unter 1200 Schulleiter/innen in Deutschland im Auftrag des VBE. Allein 45.000 Fälle körperlicher Gewalt in den vergangen Jahren sind bundesweit bekannt. Die Umfrage ergänzt die bereits im Herbst 2016 von BLLV und VBE durchgeführte Befragung unter Lehrkräften.

Das Ergebnis: In den vergangenen fünf Jahren gab es deutschlandweit an jeder zweiten Schule in Deutschland direkte psychische Gewalt gegen Lehrer/innen, an jeder vierten Schule körperliche Angriffe und an jeder fünften Schule Cybermobbing.

VBE und BLLV fordern deshalb Statistiken, die regelmäßig von den Kultusministerien veröffentlicht werden. "Nur, wenn das Ausmaß für die Ministerien greifbar wird, werden sie angemessene Maßnahmen umsetzen, um Lehrkräfte besser zu schützen", so der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. "Die Politik darf mit ihrer ,Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß'-Haltung in keinem Bundesland mehr durchkommen."

Auch in Bayern halte sich das Ministerium mit der Erhebung und Veröffentlichung von Zahlen bedeckt, bestätigt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Offiziell begründet das Ministerium dies so: "Statistiken zu Vorfällen von Gewalt gegen Lehrkräfte führen wir nicht und halten dies auch nicht für zielführend. Aus unserer Sicht könnte eine verpflichtende Datenerfassung Lehrkräfte möglicherweise auch davon abhalten, sich Rat und Hilfe zu holen."

Wenig Einsicht bei gewaltbereiten Schüler und deren Eltern

In der abwehrenden Haltung der Ministerien liegt aber nicht das einzige Problem. 63 Prozent der befragten Schulleiter/innen sagen, auch die betroffenen Schüler/innen zeigten keine Einsicht. 59 Prozent erklären, deren Eltern seien nicht kooperativ. Dass sich das Ministerium der Fälle nicht ausreichend annehme, beklagen 33 Prozent, zu viel Bürokratie bei der Meldung von Vorfällen kritisieren 22 Prozent, zu wenig Unterstützung von der Schulverwaltung monieren 21 Prozent. 11 Prozent geben sogar an, eine Meldung sei bei den Schulbehörden auch nicht erwünscht oder die Reputation der Schule leide darunter (21 Prozent).

Für BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann ist dies auch eine Frage des gesellschaftlichen Klimas: "In der öffentlichen Diskussion ist der Ton generell rauer geworden. Wir müssen uns auch fragen, wie gehen Politiker miteinander um, wie geht ein Vorgesetzter mit seinen Angestellten um? Jeder, der beobachtet, dass in einer Auseinandersetzung die Sprache verroht, muss einschreiten und kontra geben. Von einer gewaltvollen Ausdrucksweise ist es oft nur noch ein kurzer Schritt zu tatsächlicher, körperlicher Gewalt."

Standing der Lehrer/innen stärken

Fleischmann ergänzt: Auch das Standing der Lehrer/innen habe gelitten. „Vor 20 Jahren hatte der Lehrer noch volle Autorität gegenüber dem Schüler. Wenn er es angebracht hielt, diesen zu ermahnen, konnte er darin auch der Unterstützung der Eltern sicher sein. Seither hat sich einiges verschoben.

Von einer Gewalterfahrung betroffene Lehrer müssten aber deutlich von allen Seiten signalisiert bekommen, dass sie als Lehrer ein gesellschaftliches Standing genießen und dieses auch durchsetzen dürfen. Betroffene Lehrer bräuchten schnell psychologische Beratung und Supervision, sollten aber auch versuchen, schnell wieder vor die Klasse zu treten, um präsent zu bleiben und nicht erst tiefer sitzende Ängste zu entwickeln. Dabei könne es helfen, sich vor Augen zu führen, zu welchen Schülern man eine besonders gute Beziehung habe.

„Vorbeugen kann man Gewalt nur durch eine intakte Lehrer-Schüler-Beziehung, die der Lehrer immer wieder neu knüpfen und pflegen muss. Eine gute Beziehung zu den Schülern aufzubauen, braucht aber Zeit“, so Fleischmann. „Ein Kind, das Schwierigkeiten macht, hat selbst Schwierigkeiten.“ Hier müssten Schulen auf Hilfssysteme von außen vertrauen können.

Keine Frage der Schulart

Übrigens ist Gewaltbereitschaft unter Schüler/innen keine Frage der Schulart. Cybermobbing geschieht an Gymnasien (33 %) fast ebenso häufig wie an Haupt-, Real- oder Gesamtschulen (36 %). Das Ausmaß an körperlichen Angriffen ist allerdings an Grundschulen (32 % gegenüber 12 % an Haupt- und Realschulen) deutlich erhöht.

Fleischmann: „Die Neigung zur Gewalt hängt vom sozialen Umfeld ab. Einfache Zuschreibungen gibt es da nicht. In der Grundschule kommen alle Schüler aus allen Milieus zusammen. Wenn ein Kind in seinem direkten Umfeld gelernt hat, auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren, wird es auch in der Schule entsprechend handeln. Je älter, die Kinder werden, desto besser lernen sie auch, sich auszudrücken.“