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Schulen müssen Masernimpfungen kontrollieren Startseite

„Und was, wenn ich selbst nicht geimpft bin?“

Seit Anfang März gilt: Die Schulen müssen überwachen, dass alle Schülerinnen und Schüler gegen Masern geimpft sind. Doch was bedeutet das im Einzelnen? Andreas Rewitzer, stellvertretender Leiter der BLLV-Rechtsabteilung, bringt Licht ins bürokratische Dunkel.

Im November 2019 hat der Deutsche Bundestag das Masernschutzgesetz beschlossen. Diese Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes trat am 1. März in Kraft. Obwohl das KM die Schulen mit mehreren Hinweisschreiben inklusive diverser Anlagen versorgte, kamen in der Rechtsabteilung des BLLV einige Fragen und Kritikpunkte an. Hier die wichtigsten Fragen – und die Antworten:

Können Kinder ohne Impfschutz nach dem Quali eine M10 oder VK1 besuchen?

Die Vollzeitschulpflicht endet gem. Art. 37 Abs. 3 Satz 1 Bay-EUG nach neun Schuljahren. Ein Schüler ohne Impfschutz, der seine Schulpflicht noch nicht erfüllt hat, muss aber dennoch beschult werden. In diesem Fall ist das Gesundheitsamt zu informieren. Hat ein Schüler seine Schulpflicht beendet und den Qualifizierenden Abschluss so bestanden, dass er in eine M10 oder Vorbereitungsklasse (VK1) wechseln könnte, ist dies aber nur mit nachgewiesenem Impfschutz möglich. Dies gilt auch
dann, wenn sich die M10/VK1 an der eigenen Schule befindet, denn die Mittelschulordnung spricht nicht von einem Wechsel in die M10/VK1, sondern von einer „Aufnahme“ (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 3 sowie § 7 Abs. 5 MSO). Besuchte der Schüler allerdings bereits den M-Zweig der eigenen Schule und hat die M9 erfolgreich bestanden zählt er als „Bestandsschüler“, kann in die M10 vorrücken und die Ausbildung regulär beenden.

Drohen Lehrkräften Konsequenzen, wenn sie sich nicht impfen lassen wollen?

Ja. Die Nachweispflicht gilt für alle Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind. Lehrkräfte, egal ob verbeamtet oder angestellt, die zu dieser Gruppe zählen, müssen ihren Impfstatus nachweisen, also entweder die bestehende Immunität gegen Masern oder aber eine medizinische Kontraindikation. Wird der Nachweis nicht erbracht, sind disziplinarrechtliche Maßnahmen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst (Beamte) beziehungsweise Abmahnung und außerordentliche Kündigung (Angestellte) möglich.

Gilt die Nachweispflicht auch für Studierende im Praktikum?

Ja. Da in der Regel das erste Praktikum entweder ein Orientierungspraktikum oder ein Blockpraktikum ist mit jeweils längerer Verweildauer an der Schule, müssen auch Studierende ihren Impfstatus nachweisen.

Wie ist die Drohung einer Geldbuße gegen Schulleitungen zu verstehen?

Dieser Punkt sorgte für viel Wirbel, ist aber vergleichsweise harmlos. Die Leitung einer Einrichtung, also auch die einer Schule, die entgegen der gesetzlichen Verbote eine Person betreut (Schüler) oder beschäftigt (Lehrkräfte) oder im Falle einer Benachrichtigungspflicht die Gesundheitsämter nicht informiert, muss zunächst mit Sanktionen rechnen, die bis zu einer Geldbuße von 2.500 Euro gehen können. Das setzt aber voraus, dass die begangene Ordnungswidrigkeit vorwerfbar ist. Die Schulleitung muss also vorsätzlich oder (grob) fahrlässig gehandelt haben. Wer seine Überprüfungen ordnungsgemäß durchführt und dokumentiert, hat grundsätzlich nichts zu befürchten.

Sind die Schulleitungen für die Nachweiskontrolle qualifiziert?

Prinzipiell ist davon auszugehen, dass Schulleitungen einen Eintrag im Impfbuch oder eine entsprechende ärztliche Bescheinigung natürlich richtig auswerten können. Es wäre aber aus unserer Sicht dennoch zielführender, wenn die Gesundheitsämter zu fest vereinbarten Terminen in die Schulen kämen, um die von den Klassleitungen eingesammelten Nachweise zu überprüfen (s. Kommentar).


Warum erfolgt die Kommunikation über ein Datenblatt?

Dies wurde so verfügt. Sinnvoller und nahe liegender wäre gewesen, den Impfstatus einmalig in die ASV einzugeben, anstatt für jeden Schüler und jede Lehrkraft einen Dokumentationsbogen anzulegen (s. Kommentar).

Kommentar

Verzettelt

Mit einem KMS und umfangreichen Anlagen – acht an der Zahl – wandte sich das KM Ende Februar an die Schulen, um über das Masernschutzgesetz und das damit verbundene Verfahren zu informieren. Dabei ging man detailliert auf verschiedene Fallkonstellationen ein. Offensichtlich hat man sich viele Gedanken gemacht, wie man den Schulleitungen alle nötigen Informationen so verständlich machen kann, dass keine Fragen offenbleiben. Dass dies dennoch der Fall ist, kann man dem KM nicht vorwerfen. Die Materie ist einfach zu komplex. Die Rückfragen zeigen außerdem: Die Schulleitungen machen sich intensiv Gedanken und durchdenken die Situation vor Ort gründlich.

Kritikwürdig ist aus unserer Sicht, dass der Verwaltungsaufwand wieder einmal allein bei den Schulleitungen liegen bleibt. Warum hat man nicht die Gesundheitsämter angewiesen, an vereinbarten Tagen in die Schule zu kommen und die von den Klassenleitungen vorab eingesammelten Impfnachweise selbst zu überprüfen?

Erstens wären dann die Schulleitungen nicht zusätzlich belastet. Entlastungen für Schulleitungen sind oft versprochen und selten gehalten worden, meistens sind noch neue Aufgaben oben drauf gekommen. Zweitens würden die Nachweise von geschulten Augen geprüft werden, die mögliche Ungereimtheiten direkt vor Ort klären könnten. Auch die Meldung ans Gesundheitsamt würde sich somit erübrigen, das würde weniger Verwaltungsaufwand bedeuten.

Ein weiteres Ärgernis bleibt die Tatsache, dass die Resultate der Überprüfung auf einem Datenblatt festgehalten und im Schülerakt abgelegt werden. Bei aktuell rund elf Millionen Schülerinnen und Schülern in Deutschland sind das elf Millionen Blätter. Warum wurde nicht einfach ein neues Feld in der ASV hinzugefügt, das die Dokumentation in den digitalen Raum verschiebt? Trauen die Verantwortlichen selbst ihrem so viel gepriesenen Programm nicht über den Weg? Bei fortschreitender Digitalisierung ist der nun auf uns zurollende Papierwust kein Gütezeichen. //

Diese Rechtskolumne von Andreas Rewitzer wurde im Magazin bayerische schule, Ausgabe 4/2020 veröffentlicht.