Dieser Artikel erscheint im BLLV-Magazin "bayerische Schule" in der kommenden Ausgabe #06 2024. Hier lesen Sie den Artikel jetzt schon vorab.
Immer mehr Kinder erfüllen nicht einmal mehr die Mindestanforderungen in den Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen, das ist statistisch belegt und Allgemeinplatz in jeglicher bildungspolitischer Diskussion. Ebenfalls statistisch belegt - aber weit weniger beachtet - ist der Trend im Trend: Es sind überdurchschnittlich viele Kinder aus Haushalten mit prekärem Hintergrund, die hinterherhinken. Bei nahezu jedem zweiten von ihnen beträgt der Rückstand am Ende der Grundschulzeit eineinhalb Jahre. Eineinhalb von vier Jahren! Und ausgerechnet jene Schulen, an denen sich das Drama des benachteiligten Kindes vorwiegend abspielt, sind häufig die am schlechtesten ausgestatteten mit zu wenig Ressourcen.
Diese Befunde präsentierte und belegte Prof. Dr. Nina Bremm in ihrer Keynote-Rede bei der BLLV-Tagung „Bildung gerecht gestalten“ Die Inhaberin des Lehrstuhls für Schulpädagogik an der FAU Erlangen-Nürnberg referierte Mitte Oktober in der Landesgeschäftsstelle des Verbandes vor einem Expertenpublikum. Gekommen waren die bildungspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der demokratischen Landtagsfraktionen, Ministerialdirektor Martin Wunsch, sowie die Fachleute für Schul- und Bildungspolitik des BLLV aus ganz Bayern. Doch selbst vor diesem kundigen Auditorium blickte die Bildungsforscherin in betroffene Gesichter.
Jeder hier konnte die nackten Zahlen zur sozialen Benachteiligung mit konkreten Namen eigener Schülerinnen und Schüler verbinden. Jedem hier war klar, was wachsende Segregation, vulgo: die Trennung von Arm und Reich, für diese Gesellschaft bedeutet. Dass es da um Menschen geht, die aufgrund ihres frühen Scheiterns das Vertrauen in Institutionen und Demokratie verloren oder nie gewonnen haben. Und um Menschen, denen das alles vermeintlich egal sein kann.
Warum aber ist Bayern dasjenige Bundesland, in dem Bildungsgerechtigkeit der Bildungsforscherin zufolge am wenigsten von allen realisiert ist? Wo jedes zweite Kind aus wohlhabenden Haushalten das Gymnasium besucht, aber nur jedes fünfte aus ärmeren Verhältnissen? Wissen um die Zusammenhänge wäre ja ausreichend vorhanden. Warum also diese Armutserklärung des reichen Freistaats? Prof. Bremms Einschätzung: „Die Kinder aus dem sozial benachteiligten Milieu haben einfach keine Lobby.“ Im Klartext: Mit denen kann man's halt machen. Der BLLV nimmt das nicht hin. Er sieht sich - als der einzige Verband für alle Schularten- sehr wohl als „die Lobby für diese Kinder“, wie Präsidentin Simone Fleischmann einmal mehr betonte.