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Top sein reicht nicht

Bildung - dieses Thema kommt immer gut, gerade im Wahlkampf. Doch echte Bildungspolitik denkt weit über eine Legislaturperiode hinaus.

Jeden Morgen erhalte ich von unserem Kommunikationsreferat eine Presse-Lese. Sie umfasst die wichtigsten Artikel in Print- und Online-Medien über Schule, Bildung und Lehrer in Bayern und Deutschland. Und immer wieder staune ich, wer sich mit welchen Analysen und Forderungen täglich um Bildung kümmert. Ich staune, wie in immer schnellerer Abfolge immer neue Untersuchungen veröffentlicht werden mit dem immer gleichen Ergebnis: Auf die Bildung kommt es an.

Die Medienmacher wissen, dass Bildung heute mehr interessiert denn je: Digitalisierung, Ganztag, Inklusion, Integration, aber auch Themen wie Sexualkunde, Erstlesen, Schreibschrift oder Wiedereinführung des G9 stehen in der Aufmerksamkeitsökonomie - im Moment zumindest - weit oben. In Bayern ist Bildung nach der Flüchtlingsproblematik das zweitwichtigste Thema, wie Infratest Dimap zum Jahresbeginn festgestellt hat.

Nicht überraschend die Stimmen der bayerischen Regierungspolitiker: Kein Grund zur Panik, alles in Ordnung, heißt es bei denen. Bayerns Bildung ist Spitze. Als Bildungsweltmeister bezeichnet der designierte Ministerpräsident Bayern. Kein Wort von Unterrichtsausfall und Lehrerbelastung. Kein Wort von der unerträglichen Arbeitssituation der Schulleitungen. Kein Wort vom Reformstau in der Lehrerbildung. Kein Wort von den Problemen der Inklusion.

Für mich ist die gute Nachricht: Bildung wird ernst genommen. Bildung ist - noch! - ein solider Wert in einer Gesellschaft, deren Wertefundament bröckelt. Die Mehrheit der Bürger scheint der Überzeugung zu sein: Gute Bildung könnte in einer historisch nie dagewesenen Umbruchphase unserer Welt die ersehnte stabile Grundlage für den Zusammenhalt unserer offenen Gesellschaft sein, für die Sicherung einer freiheitlichen Demokratie, für den Erfolg der Wirtschaft im globalen Wettbewerb und für die persönliche Zufriedenheit des Einzelnen.

Als Lehrerinnen und Lehrer bestätigen wir das. Bildung könnte, und sie sollte, all das sein. Denn welche andere Institution hat im Leben des einzelnen Menschen und gleichzeitig der Gesellschaft so große Bedeutung? Dazu gehört allerdings die Erkenntnis, dass die Erziehungskraft der Familien massiv nachgelassen hat. Es hilft also nicht, die Verantwortung der Familien zu beschwören, wie dies die CSU-Landesgruppe im Januar auf ihrer Seeoner Klausur getan hat. Vielmehr sollte man sich zurückbesinnen auf den Bildungsauftrag der Bayerischen Verfassung: "Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden."

Was ist das anderes als Erziehung? Ja, Schule könnte eine Leitfunktion für unsere Gesellschaft übernehmen. Aber nicht, wenn die Herausforderungen klein geredet und die notwendigen Investitionen klein gerechnet werden. Und nicht, wenn Bildung vor allem vor Wahlen Konjunktur hat. Gute Bildung wird deutlich mehr kosten als bisher. Viel mehr.

Es tut mir leid, liebe Haushaltspolitiker: Da ist es nicht mit zusätzlichen Millionen getan, wir reden von Milliarden. Und diese Mittel brauchen wir nicht nur für den Einsatz digitaler Medien in den Schulen. Es gibt erhebliche Finanzierungslücken bei Inklusion, Ganztag, Unterrichtsversorgung und bei der Arbeitssituation der Schulleitungen.

Und gute Bildung muss langfristig angelegt sein, gute Bildungspolitik muss klare Ziele über die Legislaturperiode hinaus formulieren. Dazu zähle ich eine langfristige und realistische Personalpolitik, eine neue flexible Lehrerbildung, eine flexible Budgetierung und die gleiche Besoldung aller Lehrerinnen und Lehrer.